„Borgward-Bilder erzählen“: Ausgabe 1

 

Isabella, Christel und das Product Placement

Es könnte auch ein Privatfoto aus den 50er-Jahren sein, obwohl der junge Mann mit seiner Kamera etwas gekünstelt im Fond des Isabella Cabriolets steht. Aber der helle Borgward passt gut zur Erscheinung des Aufsteigers, und die Altstadt von Rothenburg ob der Tauber war ein typisches Ausflugsziel der Aufbau-Ära. In Wirklichkeit ist das Bild inszeniert. Es entstand 1956 als Aushangfoto für den deutschen Kinofilm „Die Christel von der Post“. Der flotte Typ in der Isabella ist Claus Biederstaedt (heute 81), der im Film den Startrompeter Mecky Doppler mimt und das Herz der Briefträgerin Christel gewinnt. Die spielte Gardy Granass (79), auf dem Bild erst auf den zweiten Blick zu sehen – rechts im Türbogen des Hauses. Am Ende kriegen sie sich nicht, für diesen Teil des Drehbuchs ist der junge Hardy Krüger zuständig.

Bei Borgward in Bremen hatte der Film im Herbst 1957 ein Nachspiel. Die werbewirksame Rolle der Isabella gefiel Carl F. W. Borgward, der ein passionierter Kinogänger war, und seiner Verkaufsabteilung. Jedoch missfiel dem Management, dass die Isabella nur durch Zufall in die Filmhandlung geraten war, weil sie dem Regisseur gehörte. Die Werbeabteilung musste sich daraufhin die Frage stellen lassen, warum Borgward-Produkte nicht systematisch in Filmen auftauchten. Die Antwort vom 23. Oktober 1957 ist als Aktennotiz erhalten: Bereits im Frühjahr 1957 hatten die Borgward-Werber eine Reihe von Regisseuren und Produzenten angesprochen, um die Isabella in Filmen zu platzieren. Der Begriff Product Placement war noch nicht erfunden, moderne Honorarforderungen hingegen schon: „Als Beitrag erwartet man von uns ohne Weiteres das kostenlose Überlassen eines Wagens.“ 20 bis 40 neue Isabellen, so die interne Schätzung, müsste Borgward an Filmschaffende verschenken. Womit das Thema vom Tisch war. CST

Foto: Archiv Christian Steiger