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Autos aus Bremen
vom Lieferwagen bis zur Cheflimousine
von 1924 bis zum spektakulären Konkurs 1961

„Borgward-Bilder erzählen“:
Ausgabe 10

Borgward Hansa 1800 - der Doktor-Müller-Wagen

War es Mord?

Das Foto lässt Qualität vermissen, aber man muss tief in die Archive steigen, um es überhaupt zu finden. Wahrscheinlich sehen wir den Schauplatz eines Mordes. Und dem Ortstermin, den das Bild zeigt, folgte einer der spektakulärsten Indizienprozesse der 50er-Jahre. Die Zeitungen und Illustrierten waren voll davon, und immer war die Rede vom Zahnarzt Dr. Müller (Pfeil), seiner Ehefrau, seiner Geliebten und seinem dunkelroten Borgward Hansa 1800. Der fing am Abend des 28. Februar 1954 Feuer, es geschah auf einer einsamen Landstraße zwischen Otterberg und Birotshof in der Nähe von Kaiserslautern. Zeugen gab es keine, und so sah nur der 47-jährige Zahnarzt Dr. Richard Müller, wie seine Frau im Wagen verbrannte.

Das war merkwürdig, denn Müller selbst saß nicht im Wagen. Er gab an, im dunklen Wald nach einer abgesprungenen Radkappe gesucht zu haben, während im Auto der mitgeführte Katalytofen explodierte. Neben dem Ofen, einer Art mobiler Zusatzheizung, hatte der Dentist auf dem Rücksitz mehrere Benzinkanister dabei. Die Rettung seiner Frau sei ihm daher nicht möglich gewesen, so Müller.

Der Skandal war perfekt: Denn die Radkappe des Borgward wies Hebelspuren auf, eine leere Benzinflasche lag neben dem Wrack, und die Kripo ermittelte, dass die junge Helferin des Zahnarztes seine Geliebte war. Vor Gericht war von „Hörigkeit“ die Rede, ein gewagter Begriff für die nach außen hin prüden Fünfziger. Der Prozess zog sich hin bis zum Juli 1956, als Müller vom Schwurgericht Kaiserslautern wegen Totschlags zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Der „Spiegel“ druckte eine Titelstory, der junge Heinrich Böll war als Gerichtsreporter vor Ort, und auch im fernen Bremen war „der Borgward, in dem die Frau des Zahnarztes Müller verbrannte“, ein heißes Thema. Die Borgward-Werber fürchteten um ihr Image. Zu Recht, der Fall blieb lange in Erinnerung. Noch in den 90er-Jahren gab es ältere Herrschaften, die Borgward-Fahrer auf ihren „Doktor-Müller-Wagen“ ansprachen.

Bereits im Dezember 1959 kam der Zahnarzt wegen guter Führung frei. Er soll, so wissen Ortskenner, noch als hochbetagter Mann im Auto unterwegs gewesen sein. Mit dem Gesetz kam er nicht wieder in Konflikt. CST

Foto: Archiv Christian Steiger