Logo Borgward-Presseabteilung
Logo Borgward
Logo Borgward
Logo Borgward

Autos aus Bremen
vom Lieferwagen bis zur Cheflimousine
von 1924 bis zum spektakulären Konkurs 1961

„Borgward-Bilder erzählen“: Ausgabe 22

Siegfried R. mit einem seiner 3 Borgward Isabella Coupés

Der Marathon-Mann

Borgward-Geschichte erzählt nicht zwangsläufig aus den 50er- und 60er-Jahren. Auch muss es nicht immer ein neues oder neuwertiges Auto auf frisch gewienerten Weißwandreifen sein, um dem Phänomen Borgward auf die Spur zu kommen. Mitunter reicht ein Alltagsfoto aus den 80er-Jahren.

Dieses hier entstand im Herbst 1984 auf der Mannheimer Veterama; wir sehen Siegfried R., Jahrgang 1908, und eines seiner drei Isabella Coupés. Keines davon kaufte er neu, keines war in wirklich gutem Zustand. Für Restaurierungen oder Schönheitsarbeiten hatte der pensionierte Elektroingenieur schlicht keine Zeit. Er fuhr einfach – nicht nur in und um seine kleine Heimatstadt im Vorderpfälzischen, sondern kreuz und quer durch Europa, gerne auch mit seinem Eriba-Puck-Wohnanhänger im Schlepp. „Ja, Sie – Sie fahren ja nur im Sommer“, meinte er zum Verfasser dieser Zeilen, „aber ich war wieder in den Dolomiten und danach bei meinen Bundesbrüdern in Mitteldeutschland, und ich bin immer Tempo 130 gefahren.“ Und zwar auf Diagonalreifen, des besseren Komforts wegen, und mit einem Coupé, das mindestens 250 000 Kilometer hinter sich gelassen hatte.

R. hatte alle drei Wagen – Baujahr 1959, 1960 und 1961 – zu Beginn der 70er-Jahre als günstige Gebrauchte angeschafft. Sie ersetzten einen Heckflossen-Mercedes, „aber darin wurde unserem Hund immer schlecht“. In der vorher besessenen Isabella Limousine hatte sich der Münsterländer wohler gefühlt. Also blieb Siegfried R. bei Borgward, selbst als sein Hund nicht mehr lebte.

Siegfried R. hat nie mehr die Marke gewechselt. Bis tief in die 90er-Jahre stritt er sich mit lokalen TÜV-Prüfern („Die glauben, ich hätte meine Anhängerkupplung mit Pattex angeklebt“) und reparierte seine drei Isabellen in der heimischen Garage selbst. „Mein Mann kann nicht ans Telefon kommen, er ist in der Grube“, sprach Frau R. dann, denn erst pflegte Siegfried R. auf der Leiter in die Tiefe zu steigen, dann rollte seine Frau die Isabella so zurecht, dass er arbeiten, aber nicht mehr herausklettern konnte.

Einem Borgward-Club trat Siegfried R. nie bei, aber den damals frisch gegründeten pfälzischen Borgward-Stammtisch besuchte er regelmäßig, trank ein Glas trockenen Rotwein, rauchte HB-Zigaretten und erzählte von den Tücken der letzten Saxomat-Reparatur.

Im Jahr 1996 ist Siegfried R. gestorben, seine drei Coupés haben überlebt. Aber im Alltag fährt sie keiner mehr. CST

Foto: Archiv Christian Steiger